Braunschweig. Richard Kiessler, außenpolitischer Korrespondent, schreibt in seiner Kolumne „Kiesslers Welt“ über den Einsatz von Kampfdrohnen.

Jeden Morgen bringt Matthew Martin seine kleine Tochter Amanda in den Kindergarten im Norden von Las Vegas. Der Oberstleutnant der US-Luftwaffe hat in Afghanistan und Irak vier gefährliche Kriegseinsätze überlebt. Jetzt bekämpft der Familienvater die Feinde Amerikas von der Creech Airbase in Nevada aus mit dem Joystick. Am Ende seines Arbeitstages hat Martin von seinem Sessel aus über eine Satellitenstation das 11 000 Kilometer entfernte Ziel in Pakistan mit einer Drohne zerstört und ein Dutzend Menschen getötet. Am späten Nachmittag holt der Joystickkrieger Amanda vom Kindergarten ab, abends will er das Baseballmatch der Las Vegas Coyotes auf keinen Fall versäumen.

Ferngesteuerte Waffen

Die Flugkörper ohne Piloten („unmanned aerial vehicles“) von der Länge eines Linienbusses, der Spannweite eines Passagierflugzeuges und dem Gewicht dreier Elefanten, haben das Wesen des Krieges so nachhaltig zu verändern begonnen wie zuvor die Erfindung des Schießpulvers oder der Atombombe. Auch ferngesteuerte Spähroboter, die afghanische Straßen auf Sprengfallen der Taliban inspizieren oder sogenannte „PackBots“, die verborgene Scharfschützen ausspähen, revolutionieren längst gewaltsame, vornehmlich asymmetrische Konflikte. „Wenn ein Roboter stirbt“, beschreibt der Strategie-Experte Peter Singer die Begeisterung der Militärs, „muss man nicht dessen Mutter schreiben“.

Die ferngesteuerten Präzisionswaffen vom Typ „Predator“ (Raubtier) oder „Reaper“ (Sensenmann) töten punktgenau. Die Drohnenkrieger in Nevada oder US-Stützpunkten im Indischen Ozean sitzen vor Bildschirmen voller Luftaufnahmen und Navigationsdaten. Wenn auf dem Monitor die totgeweihte Zielperson und ihre Umgebung erscheinen, feuern sie per Joystick ihre Raketen vom Typ „Hellfire“ (Höllenfeuer). Der Antrieb der Drohnen ist so geräuscharm, dass sie erst wenige Sekunden vor dem Einschlag bemerkt werden. Die hohe Trefferquote ist ein perverser Anreiz, den geheimen Drohnenkrieg per Knopfdruck zu intensivieren.

In Afghanistan, zumeist aber in Pakistans unzugänglicher Bergwelt Wasiristan, soll es über 2300 Drohnen-Tote gegeben haben, darunter islamistische Führungskader der Taliban oder El Kaida. Die Opferzahl unbeteiligter Zivilisten ist unbekannt. Im Jemen starb der Hassprediger Anwar al-Awlaki nach einem Kampfdrohnen-Angriff. Er war amerikanischer Staatsbürger.

Der Tabubruch

US-Präsident Barack Obama hat das gezielte Töten zum offiziellen Regierungsprogramm erhoben. Der Friedensnobelpreisträger übertrifft seinen Vorgänger George W. Bush beim Einsatz der unbemannten Flugkörper um Längen. Das von Kriegsmüdigkeit geprägte politische Klima in den USA begünstigt Obamas Tabubruch: Die Sicherheit der eigenen Soldaten rangiert vor der fragwürdigen Praxis, Menschen ohne Schuldbeweise, Anklage oder Prozesse zu töten. In dieser rechtlichen Grauzone lassen sich mit dem Hinweis auf das Selbstverteidigungsrecht trefflich präventive Militärschläge rechtfertigen. Warum nicht gegen den Iran?