Die Landeschefin der Grünen über die Probleme von Einzelhändlern, die Globalisierung und Studiengebühren

Florian Dörnbrack: Ein zentrales Projekt in unserer Region ist der Ausbau des Forschungsflughafens Braunschweig. Wie stehen Sie dazu?

Ich bin da skeptisch. Wir Grüne glauben nicht, dass ein Ausbau des Flughafens in Braunschweig wirklich notwendig ist. Umfragen haben gezeigt, dass 95 Prozent der Firmen am Flughafen keine längere Landebahn benötigen. Außerdem ist es nicht sinnvoll, in Niedersachsen zwei große Flughäfen mit Steuergeld zu subventionieren, die sich gegenseitig Konkurrenz machen. Forschungsflüge, für die man eine längere Bahn braucht, könnten nach Hannover verlegt werden.

Adalbert Wandt: Da muss ich Ihnen widersprechen. Die Forschungseinrichtungen am Flughafen sind ausnahmslos für den Ausbau, und nicht, wie Sie behaupten, dagegen...

... ich habe nicht gesagt, dass sie dagegen sind, sondern, dass sie ihn nicht benötigen.

Wandt: Trotzdem: Der Ausbau ist eines der wichtigsten Infrastrukturprojekte, die wir in Norddeutschland haben. Sollte er nicht kommen, würden mittelfristig mehrere Tausend Arbeitsplätze abwandern.

Dieses Arbeitsplatz-Argument wird häufig als Totschlag-Argument verwendet, um Pläne zu verteidigen, die eigentlich unnötig sind. Ich glaube nicht, dass Firmen abwandern würden, wenn die Landebahn bleibt, wie sie ist.

Wandt: Das Deutsche Luft- und Raumfahrtzentrum ist dann weg!

Das sehe ich nicht so. Hinzu kommt außerdem, dass die Verlängerung der Landebahn Naturschutzrechte verletzen würde. Darüber kann man sich nicht einfach hinwegsetzen. Ich meine: Geltendes Recht muss eingehalten werden.

Jürgen Hirschfeld: Da möchte ich gleich mal einhaken. Wir haben bereits so viele Flächen unter Naturschutz gestellt, dass wir kaum in der Lage sind, sie noch zu unterhalten. Meine Bitte als Landwirt ist, keine weiteren Flächen unter Schutz zu stellen, nur weil an anderer Stelle eine Straße oder meinetwegen auch ein Flughafen ausgebaut wird.

Diese Ausgleichsmaßnahmen, die Sie da ansprechen, stehen im EU-Recht. Wenn etwa eine Autobahn wie die A 39 gebaut wird, müssen zum Ausgleich bestimmte Flächen unter Schutz gestellt werden. Das liegt übrigens auch im Interesse vieler Landwirte, weil sie in die Pflege dieser Flächen eingebunden sind.

Hirschfeld: Aber wir verlieren doch landwirtschaftliche Nutzfläche!

Ja. Aber das liegt nicht daran, dass willkürlich Schutzgebiete ausgewiesen werden, sondern daran, dass zu viele Flächen für Straßen oder Wohngebiete zubetoniert werden. Jeden Tag werden in Deutschland 120 Hektar verbaut! Von daher unterstütze ich Ihre Forderung sogar: Keine neuen Schutzgebiete – indem man sie einfach nicht nötig macht.

Dörnbrack: Kommen wir noch mal zur Wirtschaft. In Helmstedt soll ein Designer-Outlet-Center angesiedelt werden. Wolfsburg hat denselben Plan und ist deshalb gegen das Helmstedter Projekt. Wo stehen Sie?

Man muss die Auswirkungen eines solchen Centers auf den Einzelhandel prüfen. Ich fürchte, dass die Helmstedter Innenstadt stark darunter zu leiden hätte. Schließlich würden sich dort sicher viele Geschäfte ansiedeln, die es auch in der Innenstadt gibt, Bäcker oder Schuhgeschäfte etwa. Ich warne davor, solche Zentren zu weit entfernt von den Innenstädten anzusiedeln.

Wandt: Ich stimme Frau Dr. Leifheit zu. Die Fachleute der IHK könnten hier beraten.

Man sieht es ja beim ECE in Braunschweig. Das ist nicht einmal fertig, und schon machen erste Traditionsgeschäfte zu.

Dörnbrack: Wobei man das ECE in Braunschweig überhaupt nicht mit einem Designer-Outlet-Center vergleichen kann.

Trotzdem: Schauen Sie sich den Elbepark in Magdeburg an. Eine enorme Belastung für den Einzelhandel!

Hirschfeld: Wo wir beim Thema Einkaufen sind: Wir Landwirte leiden darunter, dass Lebensmittel immer günstiger werden. Was tut Ihre Partei, um das zu ändern?

Mit dem Thema rennen Sie den Grünen offene Türen ein. Man sieht es an der Politik von Renate Künast...

Hirschfeld: ...die ja aber nichts gebracht hat.

Das stimmt nicht. Frau Künast ist mit einigen Dingen gescheitert, ganz klar. Aber das lag nicht nicht zuletzt an der Lobby der Landwirte. Ich glaube, der Schlüssel des Problems ist der Verbraucher. Viele Menschen sind nicht bereit, mehr Geld für Lebensmittel auszugeben. Wir müssen versuchen, ein Umdenken zu erreichen. Renate Künast hat deshalb dazu aufgerufen, mehr bei regionalen Erzeugern einzukaufen.

Wandt: Frau Künast hat gesagt, dass man vor allem solche Produkte von deutschen Herstellern kaufen sollte, die anderswo unter Missachtung der sozialen Standards produziert werden. Gleichzeitig will sie den Zuckermarkt für brasilianische Zuckerbarone öffnen. Wie passt das zusammen?

Das ist so nicht richtig. Die Idee, den Zuckermarkt zu öffnen, stammt nicht von Frau Künast, sondern von der Welthandelsorganisation. Deshalb habe ich auch nicht verstanden, dass der Bauernverband Frau Künast als Feindbild aufgebaut hat.

Hirschfeld: Was ich Frau Künast vorwerfe, ist, dass sie in den Konferenzen bei der Welthandelsorganisation gar nicht stattgefunden hat! Wir können in Deutschland nicht gegen niedrigste Löhne konkurrieren. Frau Künast hätte deshalb darauf dringen müssen, dass soziale Standards weltweit berücksichtigt werden.

Das ist aber doch ein zentrales Anliegen der Grünen! Wir wollen keine Globalisierung, bei der das absolut freie Spiel der Märkte gilt. Ich bin gegen die Abschaffung aller Handelshemmnisse.

Dörnbrack: Ein anderes Thema: Ich als Student muss bald Studiengebühren zahlen. Was für Konzepte haben die Grünen, um jungen Menschen weiterhin ein Studium zu ermöglichen?

Die Finanzierung muss generell so laufen, dass auch solche Kinder an die Universitäten kommen, deren Eltern kein Geld dafür haben. Wir brauchen künftig mehr Studenten als bisher. Deshalb halte ich den Ausgleichsfonds, der geschaffen werden soll, durchaus für sinnvoll. Es gibt allerdings noch Streit darüber, wie dieser Fonds finanziert werden sollen – ob etwa auch die Unis sich daran beteiligen müssen.