SPD-Fraktionschef Sigmar Gabriel muss immer neue Vorwürfe parieren – und hat noch viel zu erklären

HANNOVER. Die Genossen knirschen mit den Zähnen: In der Affäre um Nebentätigkeiten gerät SPD-Fraktionschef Sigmar Gabriel immer mehr in die Defensive. "Ich habe ein gutes Gewissen", sagt Gabriel – und will durchhalten.

Gestern wurde es wieder ungemütlich für Gabriel, dessen Beratertätigkeit für VW über seine Firma CoNeS in Halle seit Tagen hohe Wellen schlägt.

Seit bekannt wurde, dass Gabriel bis Ende 2004 auch bei der Sportmarketingfirma Strunz&Friends stiller Teilhaber war, hat das Kopfschütteln in SPD-Kreisen noch zugenommen. In einer Pressekonferenz zum Thema Nebentätigkeit hatte Gabriel dazu kein Wort verloren.

Gestern wurden zu allem Überfluss auch noch Vorwürfe bekannt, nach denen Gabriel 2002 als Ministerpräsident und VW-Aufsichtsrat geholfen haben könnte, seiner Lebensgefährtin einen Job bei VW zu verschaffen – ausgerechnet. "Was kommt bloß noch alles?", so ein Fraktionsmitglied. Die CDU will die Nebentätigkeiten, die Verträge und Beratungsleistungen des Mannes, der im Parlament stets wortreich für mehr Transparenz stritt, im Februar im Landtag zum Thema machen. Und in den Ausschüssen sowieso.

"Sippenhafte Verdächtigungen"

Gewiss, er habe Fehler gemacht, räumt Gabriel, von Vertrauten gedrängt, seit einigen Tagen ein. "Ich hätte den VW-Auftrag erst annehmen sollen, wenn die Entscheidung, aus der Politik auszuscheiden, unwiderruflich gewesen wäre", so Gabriel gestern zu unserer Zeitung. Seine Beteiligung an CoNeS habe nur dazu gedient, sich nach der Wahlniederlage 2003 ein berufliches Standbein aufzubauen. An Strunz&Friends habe er nie etwas verdient und dort auch keine Rolle gespielt. Verdächtigungen, er habe Lebensgefährtin Ines Krüger einen Job verschafft, hält der Politiker für "Sippenhaft". In der ganzen Sache gebe es offenbar nur ein Problem: Sie habe einen Politiker als Freund, so Gabriel gestern.

Die CDU will sich damit nicht zufrieden geben. Zwar hält man sich bislang, gemessen an den üblichen Gepflogenheiten, eher zurück. Lästige Fragen wie jene, ob mit Gründung der CoNeS GbR die teils unklaren, teils strengen Bestimmungen des Abgeordnetengesetzes für Nebentätigkeiten ausgehebelt werden sollten, muss sich Gabriel aber vermutlich über längere Zeit gefallen lassen. Landtagspräsident Jürgen Gansäuer hatte ihm lediglich bescheinigt, allen Meldepflichten mehr als nachgekommen zu sein. Auch die Frage, wie frei der Ex-Aufsichtsrat in seiner geschäftlichen Betätigung als Berater für VW war, könnte noch einmal eine Rolle spielen. "Auch die unterschiedlichen Angaben zur CoNeS-Beteiligung säen Zweifel", sagte CDU-Politiker Bernd Althusmann gestern.

Vernebler und Schweiger in eigener Sache

Für die CDU ist Gabriel ein Vernebler und Schweiger in eigener Sache. Für die SPD ist der Schaden im eigenen Lager aber weit größer. Während über Wochen hinter verschlossenen SPD-Türen über die Fälle Ingolf Viereck und Hans-Hermann Wendhausen gesprochen wurde, während Gabriel nach Sitzungen erklärte, er habe keinen Anlass, über die beiden den Stab zu brechen, wussten die Genossen über die VW-Dienstleistungen des eigenen Vorsitzenden nichts. Er habe sich nicht offenbaren können, weil Vertraulichkeits- und Geheimhaltungsvorschriften ihn gehindert hätten, sagt dazu Gabriel. Und im übrigen sei es immer nur um die Offenlegung der Einkünfte gegangen.

Das allerdings dürften viele anders sehen. Denn auch um das Offenlegen verdeckter Geflechte ging es bei der Debatte, die längst auch außerhalb von Hannover beobachtet werden dürfte. Im Landtag dürfte es der SPD-Mann, der seinen Genossen und der Öffentlichkeit zu viele Details nicht zumuten mochte, schwer genug haben.

Doch auch im Kampf um ein Bundestagsmandat dürfte es für Gabriel nicht leichter werden. SPD-Landeschef Wolfgang Jüttner wird mit den Worten zitiert, es gebe schon Unruhe in der Partei. Und dass sich alte Haudegen wie Ex-Innenminister Heiner Bartling hinter den angeschlagenen Vormann stellten, ist Routine im Notfallplan. Viel aufmerksamer wird beobachtet, dass Jüttner Gabriel erst spät zur Seite stand. Der Politikstil Gabriels, heißt es in der SPD, sei Jüttner schon immer suspekt gewesen.