Linken-Politiker wollen in Niedersachsen Namen von Nazi-Anhängern aus dem Stadtbild entfernen

WILHELMSHAVEN. In Lüneburg, Hannover, Wilhelmshaven und Wolfsburg diskutieren Bürger und Politiker über Umbenennungen von Straßen. Denn solche, die nach Sympathisanten der Nazis oder nach Rassisten benannt sind, gibt es immer noch.

Eine Frau bewegt die Gemüter einiger Linken-Ratsherren in Niedersachsens Städten. Agnes Miegel ist der Name der 1964 verstorbenen Dame, sie war Dichterin und schrieb Zeilen wie diese: "Du und wir, nie mehr zu trennen, stehn ein für unser Vaterland" – die Worte richteten sich an den "Führer", Adolf Hitler.

Miegel stand dem Nationalsozialismus nahe, was ihrer Karriere nach dem Krieg aber keinen Abbruch tat. In Wilhelmshaven gibt es eine Schule, die den Namen von Agnes Miegel trägt, und das ist für Linken-Ratsmitglied Johann Janssen ein Unding: "Agnes Miegel hat zwar schöne Gedichte geschrieben, aber sie hat auch mit den Nationalsozialisten paktiert." Darum dürfe nach ihr keine Schule benannt sein. Er beantragte im Rat die Namensänderung – und scheiterte, weil die Ratsmehrheit dagegen stimmte.

Dennoch hatte Janssen damit die Diskussion angeschoben, die immer noch anhält. Zeitungen griffen das Thema auf, und Radio Bremen veranstaltete eine Gesprächsrunde mit Janssen.

In Wolfsburg gibt es – wie auch in Braunschweig – eine Agnes-Miegel-Straße, die ebenfalls den lokalen Linken ein Dorn im Auge ist. Linken-Mitglied Jürgen Lerchner fragte im Februar im Rat die Stadtverwaltung, wann dieser "für Wolfsburg schädliche Zustand" beendet werde. Auch den Namen Carl Diem führte Lerchner ins Feld. Der Sportfunktionär hatte sich für Nazi-Propaganda einspannen lassen. Nach Diem ist in Wolfsburg auch eine Straße benannt – ebenso in Osnabrück und in Bad Bentheim.

Umbenennungen von Straßen und Plätzen gab es nach dem Krieg immer wieder; die schlimmsten Namen wie die von Adolf Hitler oder Herrmann Göring wurden bald nach 1945 aus dem öffentlichen Raum getilgt. Einige Namen blieben über. Meist solche von Menschen, die keine Nazis waren, aber dennoch eine fragwürdige Gesinnung hatten. So diskutiert man derzeit in Lüneburg über die Carl-Peters-Straße. Carl Peters gilt als der Gründer der Kolonie Deutsch-Ostafrika – und war nachweislich ein Rassist, der Schwarze als minderwertig bezeichnete.

Die Stadt Lüneburg hat sämtliche Straßennamen von Wissenschaftlern untersuchen lassen. "Da kam heraus, dass alle unverdächtig waren außer der Carl-Peters-Straße", sagt Daniel Steinmeier, Sprecher der Stadt Lüneburg. "Die Stadt meint jetzt: Mit der Straße muss etwas passieren." Allerdings wehren sich die Anwohner dagegen. Nicht aus ideologischen Gründen, vermutet Steinmeier. "Das liegt wohl an dem bürokratischen Aufwand, den eine Umbenennung mit sich bringen würde: "Die Leute müssten dann ja alle zum Meldeamt gehen." Die Stadt sucht also nach einer Lösung. Steinmeier: "Vielleicht könnte man eine Plakette am Straßenschild befestigen, die darüber informiert, wer Carl Peters war."

In Hannover sind gleich drei Straßen umstritten: Die Lettow-Vorbeck-Allee, die nach einem General benannt ist, der in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Ostafrika einen Aufstand blutig niederschlagen ließ, eine nach dem antisemitischen Historiker Heinrich von Treitschke benannte Straße und die Elkartallee, die den Namen von Karl Elkart trägt. Elkart soll während der Nazizeit den Einsatz von Zwangsarbeitern organisiert haben.

Und immer wieder sind es die Namen von Dichtern, die für Aufregung sorgen. So benannte die Stadt Salzgitter 2003 die Wilhelm-Pleyer-Straße um – in Erich-Kästner-Straße. Pleyer war Träger des NS-Literaturpreises und machte sich im Dritten Reich für die "großdeutsche Idee" stark. Vor der Umbenennung gab es jahrelange Diskussionen. Auch in Salzgitter wehrten sich Anwohner.

Neben Agnes Miegel hält sich auch die Dichterin Ina Seidel noch hartnäckig als Namenspatronin. Ina-Seidel-Straßen, -Wege oder -Ringe finden sich in Braunschweig, Peine, Salzgitter und Wolfsburg. Zu Hitlers 50. Geburtstag schrieb die Poetin diese Zeilen: "Wir fühlen unser Streben und unsere Arbeit dankbar und demütig aufgehen im Werk des Auserwählten der Generation – Adolf Hitler."