Ex-Betriebsrats-Chef Walter Hiller exklusiv in unserer Zeitung über die Vergütung von freigestellten Betriebsräten bei Volkswagen

Er stand bis 1990 an der Spitze des Betriebsrates bei VW: Walter Hiller. Wir baten den früheren niedersächsischen Sozialminister zum Interview über die Bezüge von freigestellten Betriebsräten bei Deutschlands größtem Automobil-Konzern. Hiller fertigte im Anschluss an das Gespräch mit Henning Noske ein Memorandum, das wir heute und morgen komplett abdrucken. Wir werden den VW-Vorstand um eine Stellungnahme bitten und diese in der morgigen Ausgabe veröffentlichen.

Vergütung und Bonuszahlungen an Betriebsräte – aktuell

Seit 1991 bestimmt eine paritätisch besetzte Kommission die Eingruppierung von Betriebsräten. Zwei Vertreter des Unternehmens und zwei vom Gesamtbetriebsrat, der Vorsitzende und sein Stellvertreter, bilden die Kommission.

Nach meiner Überzeugung ist diese Kommissionsregelung juristisch, aber insbesondere politisch nicht in Ordnung.

Es sind insbesondere zwei kritische Punkte. Die Entscheidungen der Kommission über die Eingruppierung oder der Festlegung von Bonuszahlungen ist nicht transparent.

Nicht nur die Institution Betriebsrat, sondern auch der Vertrauenskörper der IG Metall und auch die Arbeitnehmer haben ein Recht zu erfahren, in welcher Höhe und gegebenenfalls aus welchen Gründen von der Kommission so oder wie auch immer entschieden worden ist.

Des Weiteren sind schließlich auch die Mitglieder der Kommission, die dem Betriebsrat angehören, ebenfalls entsprechend einzugruppieren und zu beurteilen.

Sie selbst können das nicht – und scheinbar lief dies nach dem Schema, wie Volkert es in der letzten Ausgabe der Wochenzeitung "Die Zeit" berichtete. Volkert ist danach vom Arbeitsdirektor angerufen und gefragt worden, ob er mit der Bonuszahlung von X Euro einverstanden sei.

Nach all dem, was bis jetzt bekannt geworden ist, sollte erneut und grundsätzlich darüber nachgedacht und diskutiert werden, wie eine Lösung des Problems aussehen könnte.

Dabei könnte ein Gedanke. wie ihn ein nicht unbedeutender Jurist bereits vor Jahren zum Ausdruck brachte, weiterhelfen. Dieser Jurist meinte im Blick auf das Volkswagenwerk, dass man doch darüber nachdenken sollte, ob man das Gesetz nicht einschränkend auslegen kann, weil die Aufgaben von Betriebsratsmitgliedern zum Teil von hoher Verantwortung geprägt seien, so dass hierfür und dem unzweifelhaften zeitlichen Aufwand auch ein höheres Entgelt angemessen erscheint.

Egal wie auch immer eine neue Regelung aussieht, sie muss transparent sein für die Belegschaft. Allein dadurch wird sichergestellt, dass Betriebsratsmitglieder nicht in den Verdacht der Vorteilnahme geraten oder gar der Korruption verdächtigt werden.

Es geht darum, nach dem Motto zu verfahren: Vertrauen ist gut, aber Kontrolle ist besser.

Und ich füge diesem hinzu: Wo keine Kontrolle ist, ist der Schritt zur Korruption nur klein und schnell gegangen.

Betriebsrat – Interessenvertretung der Arbeitnehmer

Als Organ der Betriebsverfassung wird der Betriebsrat von den Arbeitnehmern eines Betriebes als Interessenvertretung gegenüber dem Arbeitgeber gewählt.

Aktives und passives Wahlrecht haben alle Arbeitnehmer, sofern sie nicht dem Kreis der Leitenden Angestellten zugeordnet sind (§ 5.2 Betriebsverfassungsgesetz). Das Gesetz zieht hier eine klare Trennlinie zwischen den Leitenden Angestellten, die zusammen mit dem Vorstand die Interessen der Anteilseigner vertreten und den Arbeitnehmern, deren Interessen der Betriebsrat zu vertreten hat.

IG-Metall-Mitglieder des Betriebsrats sind Vertrauensleute mit besonderer Funktion

Aus gewerkschaftlicher Sicht sind die IG-Metall-Mitglieder im Betriebsrat Vertrauensleute der IG Metall. In den Augen der VW-Belegschaft gilt der Betriebsrat als oberster Repräsentant der IG Metall, wie sich dies seit den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts entwickelt hat.

Beide Institutionen, Betriebsrat und Vertrauenskörper der IG Metall, haben deshalb eine gemeinsame Verantwortung in allen Belangen, die Interessen der Belegschaft zu vertreten. Daraus ergibt sich eine gemeinsame, aber auch gegenseitige Verantwortung für das jeweilige Handeln, indem bei schwerwiegenden Problemen und Entscheidungen die örtliche Leitung oder unter Umständen auch der Vorstand der IG Metall einzubeziehen ist.

Gegnerbezug zum Arbeitgeber

Die IG-Metall-Mitglieder des Betriebsrats als Vertrauensleute befinden sich deshalb in einem scheinbaren Spannungsfeld zwischen den nach dem Betriebsverfassungsgesetz übertragenen Aufgaben einerseits und den Zielen der IG Metall andererseits, was aber dadurch aufgehoben ist, dass der Betriebsrat als Kollektivorgan seine Beschlüsse fasst – und nur an diese ist das einzelne Mitglied gebunden.

Vor dem gesellschaftspolitischen Hintergrund von Arbeit und Kapital, wie er im Programm der IG Metall enthalten ist, ist damit ein Gegnerbezug zwischen der Institution Betriebsrat und der Gruppe der Leitenden Angestellten und natürlich auch dem Vorstand der Volkswagen AG gegeben.

Gegnerbezug und Co-Manager

Aus Sicht des seit den 70er Jahren existierenden Modells der kooperativen Konfliktbewältigung bei Volkswagen ist es aber dennoch möglich, auch bei schwierigen betrieblichen oder auch unternehmenspolitischen Problemen einen Konsens zu finden.

Dies war letztlich die Erkenntnis aus den Krisen der 70er Jahre, dass es nämlich allemal besser ist, sowohl für das Unternehmen als auch für die Belegschaft, sich gütlich zu einigen. Nun haben sich in den vergangenen Jahren die Probleme verschärft in der Auseinandersetzung von Arbeit und Kapital – und gerade deshalb ist es unter diesen gesellschaftlichen Verhältnissen und Entwicklungen wichtig, diesen Interessengegensatz in jeder Hinsicht sowohl im Verhalten als auch in der Diskussion deutlich zu machen.

Verwischt wurde dieser Gegensatz durch und unter dem Arbeitsdirektor Peter Hartz. Durch den Begriff Co-Manager versuchte er Betriebsratsmitgliedern das Gefühl und den Wert von Leitenden Angestellten zu vermitteln.

In Einzelfällen gelang dies, mit dem Ergebnis, dass diese Kollegen die Bodenhaftung verloren und sich mit Gehalts- und Bonuszahlungen bedienen ließen, wie sie sich in keiner Weise für einen Interessenvertreter der Belegschaft rechtfertigen lassen.

(Der zweite Teil folgt in der morgigen Ausgabe. Walter Hiller schreibt dann über die Verantwortung der Betriebsräte und die Vorgeschichte der Vergütungs-Regelung bei VW.)